Was ist eine Zwangsstörung?
Wir kennen alle Situationen, in denen uns etwas nicht aus dem Kopf geht und es sehr störend ist, immer wieder über dieselben Sachen nachzudenken. Wenn ich zum Beispiel für eine Woche in den Urlaub fahre und mich bei der Fahrt zum Urlaubsort frage: “Habe ich das Bügeleisen wirklich ausgemacht, nachdem ich das Hemd gebügelt habe?”, und dann denke: “Ich muss es wohl ausgemacht haben… aber ich weiß es nicht! Ich war so beschäftigt damit, den Koffer zu packen und die Wohnung in Ordnung zu bringen!” Dann strenge ich mich an, mich daran zu erinnern, wie ich den Stecker aus der Steckdose gezogen habe, aber ich bin mir gar nicht sicher. “Doch, den habe ich schon rausgezogen, oder? Vielleicht doch nicht. Ich kann das Bügeleisen keine ganze Woche anlassen, die Wohnung wird ausbrennen!”
Bei einer Zwangsstörung hat der Betroffene ähnliche Sorgen, aber sie sind viel intensiver, hochbelastend und die Gedanken laufen in der Regel ständig ab, so dass der Betroffene in seinem Leben stark beeinträchtigt ist. Wir unterscheiden zwischen Zwangsgedanken (auf englisch “obsessions”, häufig wiederkehrende Gedanken) und Zwangshandlungen (auf englisch “compulsions”, den Drang immer wieder ein bestimmtes Verhalten durchzuführen).
Zwangshandlungen können ähnlich wie Rituale erscheinen, die viele von uns vor allem als Kinder kannten – z.B. auf dem Bürgersteig nicht direkt auf die Risse zu treten, weil sonst etwas Schlimmes passiert. Solche Rituale und Glaubenssysteme können Menschen ein Gefühl der Sicherheit geben. Bei der Unterlassung der Rituale bei einer Zwangsstörung allerdings kann extrem starke Angst oder sogar Panik ausgelöst werden, die der Betroffene unbedingt vermeiden möchte. Die Durchführung der Rituale kann wie eine Sucht erscheinen, ihr liegt aber andere Mechanismen zugrunde. Ein wichtiger Unterschied zu einem Suchtverhalten ist, dass es keinen Genuss verursacht, sondern nur eine Reduktion von Angst und Unwohlsein.
Typische Inhalte von Zwangsgedanken
- Zweifel, ob man den Herd ausgemacht oder die Tür geschlossen hat usw.
- etwas in der Öffentlichkeit auszurufen, was man nicht aussprechen will
- jemanden zu verletzen oder zu vergiften
- sich oder andere zu verunreinigen
- die Vorstellung, dass einem wichtigen Menschen etwas Schlimmes zustoßen könnte
- sexuelle Impulse
- aggressive Impulse
Typische Zwangshandlungen
- Dinge wiederholt kontrollieren
- sich oder Dinge immer wieder waschen
- Im Kopf Dinge wiederholt abzählen
- Mentale Wiederholung (z.B. von Sätzen oder Sprüchen)
- Festhalten an bestimmten Ritualen (z.B. Ordnung halten)
Der Mechanismus hinter Zwangsstörungen
Das typische Muster ist, dass zunächst ein Zwangsgedanke entsteht, der große Angst auslöst, woraufhin dann eine Zwangshandlung vielleicht mehrmals durchgeführt wird, um die Angst zu reduzieren. Wenn dieses Muster immer wieder durchgespielt wird, wird die Zwangsstörung gefüttert, gewinnt an Kraft und es kommen intensivere und häufigere Zwangsgedanken und -handlungen dazu. Manche Betroffene, die sehr spät in Behandlung kommen, sind extrem eingeschränkt in ihrem Leben und merken häufig nicht mehr, welche ihrer Verhaltensweisen unter die Zwangsstörung fallen.
Therapie bei Zwangsstörungen
Die kognitive Verhaltenstherapie mit Konfrontationstraining erweist sich als Therapie der Wahl bei Zwangsstörungen. Ältere Therapieformen, die versuchen die Ursachen einer Störung in der Entwicklung des Betroffenen zu entdecken und keine symptombezogenen Übungen beinhalten, sind generell weniger erfolgreich bei diesem Störungsbild.
Ein sehr wichtiger erster Schritt ist die systematische Beobachtung der Zwangsstörung über einige Tage, um ein umfassendes Bild zu erhalten, damit das ganze Ausmaß der störenden Verhaltensweisen erfasst wird. Das ist deshalb essentiell, bevor man die zentralen Komponenten der Behandlung angeht, weil man sonst das Risiko eingeht, die behandelten Zwangsgedanken und -handlungen zu reduzieren, während andere Zwänge noch stärker werden.
Danach kommt das Konfrontationstraining (üblicherweise genannt “Flooding”, auf deutsch Überflutung), das zuerst in Begleitung des Therapeuten und später selbständig durchgeführt wird. Beispielsweise wird jemand, der Angst vor Verunreinigung hat, dazu ermutigt, die Hände absichtlich zu “verunreinigen” und die Anspannung viel länger als normalerweise auszuhalten, bevor die Hände gewaschen werden. Somit lernt der Klient, dass sich die Angst von allein reduziert, ohne die Durchführung des Zwangsrituals.
Häufig liegt im Hintergrund einer Zwangsstörung eine Schwierigkeit im Umgang mit Emotionen (z.B. Aggression, Ärger und Wut), so dass die Wahrnehmung, das Verständnis und der Umgang mit diesen Emotionen neben der Konfrontation einen zentralen Bestandteil der Behandlung darstellen. Häufig ist eine medikamentöse Therapie durch ein Antidepressivum (meistens “SSRI’s”) eine sehr sinnvolle Begleitung zur Verhaltenstherapie. Bei hartnäckigeren Zwangsstörungen sind neue Therapien aus den USA erfolgversprechend, die direkt darauf fokussiert sind, die Beziehung des Betroffenen zu seiner Unsicherheit und seinen Zweifeln zu verändern.
Als Psychologen und Experten für die Behandlung von Angststörungen haben wir in unserer bisherigen beruflichen Laufbahn diverse Formen der Zwangsstörung erfolgreich behandelt. Bitte zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren, um sich über eine Therapie Ihrer Zwangsstörung bei uns im Stadtzentrum Münchens zu informieren.