Fiktive Fallgeschichte – Aggressive Zwangsgedanken – Teil 2

Arbeit an den Zwangssymptomen

Er hatte gehofft, dass es reichen würde, über diese Themen zu sprechen und die Hintergrundfaktoren für die Zwangserkrankung zu verstehen, damit es ihm besserginge. Der Therapeut erklärte ihm, dass das nicht reichen würde, weil Zwangserkrankungen eine eigene Dynamik entwickeln, die unbehandelt auch dann bestehen bleiben, wenn es ihm mit den Hintergrundfaktoren bessergehen würde. Deshalb war es nötig, Konfrontationsübungen zu machen. Da die Zwangserkrankung erst seit einigen Monaten bestand, war der Therapeut sehr zuversichtlich, dass man durch die Konfrontationsübungen eine sehr deutliche Linderung der Symptomatik erreichen würde oder diese sogar vollständig verschwinden würde. Der Therapeut war an dieser Stelle sehr klar, überließ es aber Herrn A. zu entscheiden, ob und wann er die Konfrontation angehen wollte. Es war letztendlich seine eigene Entscheidung, den mutigen Schritt anzugehen und der Therapeut stand ihm zur Seite, um ihm über diesen schwierigen Punkt hinweg zu helfen, sanft aber klar, ohne Druck zu machen.

Letztendlich ging es in den Übungen darum, dass er sich genau das vorstellte, wovor er Angst hatte und darüber sprach, um sich mit den unangenehmen Gefühlen, die das auslöste, zu konfrontieren. Dabei musste er bei den jeweiligen Vorstellungen bleiben, bis die Ängste von allein abflauten. Da er vorher selbst immer wieder instinktiv das „zu-Ende-Denken“ der Zwangsgedanken abgebrochen hatte, hatte er nie die Möglichkeit gehabt, eine Gewöhnung an die schrecklichen Gedanken zu erleben, um sie als das zu akzeptieren, was sie waren: nämlich nur Gedanken. Er musste sich bei den Übungen die Dinge genau vorstellen, die ihm Angst machten. Die ersten Übungen absolvierte er mit dem Therapeuten in der Praxis. Der Therapeut ermutigte ihn, die nötigen, schweren Schritte zu nehmen, die ihm so schwerfielen. So wiederholte er ständig laut das Schreckensszenario, das er mithilfe des Therapeuten ausgedacht hatte und spätestens nach einer halben Stunde machten ihm die Vorstellungen gar nicht mehr so viel Angst. Auf der „Angstskala“ war  er von einer zehn, was fast nicht auszuhalten war, auf eine vier gekommen, sprich: es stellte sich eine ganz deutliche Erleichterung ein.

Auch wenn ihm die ganze Theorie hinter der Zwangsstörung und den Übungen davor eingeleuchtet hatte, war er nicht sicher gewesen, ob das alles auch bei ihm funktionieren würde. Aber am Ende dieser ersten Übung war er extrem erleichtert, zu merken, dass er wirklich diese Gedanken im Kopf haben konnte, ohne so eine schreckliche Angst zu erleben und ohne zu befürchten, ein Psychopath zu sein. Nach dieser ersten Konfrontationsübung war er noch zuversichtlicher. Da er den Ablauf der Übung mit seinem Handy aufgenommen hatte, konnte er die ganze nächste Woche täglich eine Stunde lang die Konfrontationsübung wiederholen.

Die Überzeugung, dass seine Beschäftigung mit den aggressiven Vorstellungen bedeuten müsste, dass er gewaltbereiter oder psychopathischer als andere war, ließ schnell nach. Denn er merkte, dass er sich stark mit den Gedanken konfrontieren und die Ängste vor ihnen aushalten konnte – und dass ihm das half, dass ihm die Gedanken deutlich weniger wichtig erschienen und von allein weniger häufig auftraten…


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